Seit unseren Kommentaren in The right of priority, its successor in title: an example of international common sense to follow … – DTMV [Das Prioritätsrecht, sein Rechtsnachfolger: ein Beispiel internationalen Common Sense zum Nachdenken … – DTMV] hat die Große Beschwerdekammer (GBK) des Europäischen Patentamts (EPA) am 10. Oktober diesen Jahres (G 01 und 02 / 22) entschieden, dass diese Priorität Gegenstand einer impliziten Vereinbarung zwischen den US-Erstanmeldern und den PCT-Zweitanmeldern sein kann, um auf dem Gebiet des EPA davon zu profitieren.
Während diese GBK nur ihre Entscheidung vom 16. Februar 1962 in Valence zitiert, im Übrigen [S. 34 § 95] in einer Weise, die von derjenigen abweicht, die insbesondere von den Professoren Bodenhausen, Le Tarnec und Mathély gewählt wurde, räumt die französische Rechtsprechung seit über zehn Jahren regelmäßig ein, dass dieses Prioritätsrecht tatsächlich Gegenstand einer impliziten Abtretung an eine dritte Person sein kann, die in Artikel 4 A 1) der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) und Artikel 87 (1) b) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) genau als « sein Rechtsnachfolger » bezeichnet wird.
Die französischen Richter sahen jedoch vor, dass eine solche Abtretung zwar implizit oder stillschweigend erfolgen kann, dass sie aber nach dem jeweiligen Recht, das sie beherrscht, sicher sein muss.
Wie jede Willensvereinbarung zwischen zwei Personen kann auch eine Übertragung nur einem einzigen Recht unterliegen, das auf sie anwendbar ist. Dies ist der Fall beim Verkauf von Patenten (Marken, Geschmacksmustern, etc.), die sogar in mehreren Ländern eingetragen sind, deren Vertrag aber inhaltlich und materiell ausschließlich dem von den Vertragsparteien gewählten Recht unterliegt.
I. Die GBK des EPA hält sich zunächst für zuständig, die von einem Einsprechenden erhobene Anfechtung des Datums zu beurteilen, an dem der Stand der Technik endet, den er dem angefochtenen Patent entgegenhalten will, was ganz natürlich erscheint.
Es ist im Übrigen allgemein anerkannt, insbesondere in unseren europäischen Verfahren, dass der Richter der Klage auch der Richter der Einrede ist, die als Verteidigung erhoben wird. Dies ist insbesondere in Artikel 49 unserer französischen Zivilprozessordnung (CPC) und in Artikel 32-1.a) des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) so vorgesehen.
Im vorliegenden Fall ist eine Anfechtung des Prioritätsrechts zwar kein Grund für einen Einspruch, aber es scheint dennoch ein Gebot der Vernunft zu sein, dass das EPA zur Prüfung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit bei der Entscheidung, ob ein Patent erteilt wird oder nicht, den Stand der Technik bestimmen muss, der zugrunde zu legen ist, und folglich auch die Daten festlegen muss, darunter das Datum der Priorität, die vor dem EPA beansprucht wird.
Dennoch zieht es die GBK vor, diese Anfechtung als die Frage zu qualifizieren, ob dieser zweite PCT-Anmelder berechtigt ist, vor dem EPA die in Artikel 87 (1) EPÜ vorgesehene Priorität zu beanspruchen.
Es ist jedoch verwunderlich, dass sich die GBK mit der Begründung der Autonomie des EPÜ weigert, das Recht des Vertrags, das gerade das Prioritätsrecht auf seinen Rechtsnachfolger überträgt, wenn schon nicht anzuwenden, so doch zumindest zu prüfen.
So wie das GBK dies für nationale Richter zulässt, die jeweils ihre eigene Kollisionsnorm haben, erlaubt die Autonomie dieses « Übereinkommens über die Erteilung Europäischer Patente » von 1973 ihr trotz allem, wenn schon nicht ihre eigene Kollisionsnorm zu schaffen, zumindest zu entscheiden, dass, wenn dieses EPÜ dem Anmelder vor dem EPA eine Vermutung für sein Recht auf Inanspruchnahme der Priorität nach Artikel 88(1) EPÜ einräumt, ein Einsprechender dennoch das Recht hat, diese zu widerlegen, insbesondere indem er einen sogenannten Übergang auf einen Rechtsnachfolger als inexistent oder als gegen das vereinbarte Vertragsrecht verstoßend anfechtet.
Vielleicht hätte es die GBK vorgezogen, die in den Ländern des EPÜ allgemein anerkannten Grundsätze in diesem Bereich zu berücksichtigen, auf die sie sich nach Artikel 125 beziehen kann.
Es stimmt, dass die europäische Rechtsprechung (insbesondere die deutsche, englische, französische, niederländische …) hinsichtlich der Gründe, die für die Beurteilung der Übertragung der Priorität auf einen Rechtsnachfolger heranzuziehen sind, voneinander abweicht:
- geht es darum, das spezifische Prioritätsrecht für dieses geistige Eigentum (GE) zu beurteilen, das in einem Land entsteht, um in Wirklichkeit in einem anderen Land ausgeübt zu werden, um dort insbesondere zwölf Monate des Stands der Technik zu löschen?
- oder handelt es sich um einen Abtretungsvertrag, der den allgemeinen oder gemeinsamen Verpflichtungen und Rechten unserer Gesetze oder Zivilgesetzbücher unterliegt?
Ist das nicht der Grund, warum die GBK erklärt [S. 42 § 115], dass ihre Lösung zu dieser widerlegbaren Vermutung zugunsten des Anmelders vor dem EPA für Richter, die an ihre eigene Kollisionsnorm gebunden sind, nicht bindend ist?
So praktisch sie auch sein mag, und im Einklang mit unseren Artikeln 60 (3) EPÜ und L. 611-6 des französischen Gesetzbuchs über Geistiges Eigentum (CPI) zugunsten des Anmelders, um das Recht auf ein Patent auszuüben oder zu haben, wird die GBK-Lösung eine bedeutende Autorität haben, insbesondere vor unseren Richtern, z. B. in Europa sowie vor anderen Ämtern weltweit?
Hätte die GBK nicht auch außerhalb Europas mehr Einfluss gehabt, wenn sie bei der Anwendung des zwischen ihrem Inhaber und seinem Rechtsnachfolger für die ganze Welt vereinbarten Rechts ihre Meinung zur Übertragung dieser bei der ersten Anmeldung entstandenen Priorität hier in den USA geäußert hätte?
II. Unter diesen Umständen entscheidet die GBK grundsätzlich, den PCT EPÜ-Zweitanmeldern [hier Partei B] diese widerlegbare Vermutung zuzugestehen, auch wenn sie nicht mit den US-Erstanmeldern [hier Partei A] identisch sind.
Die Begründung für diese Entscheidung verdient Aufmerksamkeit. Denn da die Anmelder nicht dieselben sind, muss zumindest eine Verbindung zwischen den beiden Parteien A und B erklärt werden.
Die GBK erklärt dann, dass „die gemeinsame Anmeldung eine Vereinbarung zwischen den Parteien A und B beinhaltet, die es der Partei B erlaubt, die Priorität in Anspruch zu nehmen, …“.
Dazu scheint es, dass die GBK in Wirklichkeit glaubte, die Sachlage interpretieren und die ihr gestellte Frage ändern zu können.
In ihrer Entscheidung [S. 52 II § 2] ist die GBK nämlich der Ansicht, dass in der PCT-Anmeldung, die „von den Parteien A und B gemeinsam eingereicht“ wurde, A „für einen oder mehrere benannte Staaten“ und B « für einen oder mehrere andere benannte Staaten“ benannt ist.
- Die von der GBK gewählte Hypothese ist aus zwei Gründen zumindest zweideutig.
- Tatsächlich zitiert die GBK selbst [S. 1 § 1] die ihr gestellte Frage und erinnert daran, dass „die PCT-Anmeldung Partei A als Anmelder nur für die USA und Partei B als Anmelder für die anderen benannten Staaten, einschließlich des regionalen Schutzes des europäischen Patents, benennt“ [S. 1 § 1. II. 1)].
Diese Formulierung der Frage scheint angemessener zu sein. - Denn die GBK stellt noch aus [S. 1 § 2]:
- Tatsächlich zitiert die GBK selbst [S. 1 § 1] die ihr gestellte Frage und erinnert daran, dass „die PCT-Anmeldung Partei A als Anmelder nur für die USA und Partei B als Anmelder für die anderen benannten Staaten, einschließlich des regionalen Schutzes des europäischen Patents, benennt“ [S. 1 § 1. II. 1)].
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- dass die US-Anmeldung, die das Prioritätsrecht begründet, im Jahr 2004 von den drei Erfindern als natürlichen Personen (Herrn Rother, Herrn Wang und Herrn Zhong) [d. h. von Partei A] eingereicht wurde,
- während die PCT EPÜ-Anmeldung im Jahr 2005 eingereicht wird:
- von zwei in den USA ansässigen juristischen Personen (University of Ontario und Alexion Inc.) [d. h. von Partei B] „für alle benannten Staaten außer den USA“,
- sowie von Partei A, die „nur“ für die USA benannt ist
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- Es stellt sich sofort die Frage, was an der Einreichung dieser PCT EPÜ-Anmeldung „gemeinsam“, „zusammen“ oder „zusammen“ [Adverb] sein soll, da die fraglichen Rechte darin getrennt sind und unabhängig voneinander sowie in verschiedenen Gebieten ausgeübt werden.
Die drei US-anmeldenden Erfinder [Partei A] wollen nämlich dort ausschließlich ihr innerstaatliches Prioritätsrecht in den USA ausüben, was im PCT nie vorgesehen war, da die dort eingeräumte Priorität ausschließlich von einem Land zum anderen gilt (Artikel 4 A 1)). Hierzu ist anzumerken, dass sie ihrer PCT-Anmeldung den Text ihrer US-Priorität wahrscheinlich sehr wohl beifügen mussten.
Partei B [die beiden PCT EPÜ-Anmelder] hingegen will dort ausschließlich das diesmal in der PVÜ vorgesehene internationale Prioritätsrecht ausüben, und zwar außerhalb der USA in den Rest der Welt und insbesondere nach Europa.
Unter diesen Umständen erscheint es keineswegs sicher, dass nationale Richter in Europa oder auf anderen Kontinenten der Annahme der GBK folgen und eine Vermutung zugunsten solcher PCT EPÜ-Zweitanmelder zulassen, die die internationale Priorität der PVÜ beanspruchen, selbst wenn dieser Anspruch als mit Art. 88 (1) EPÜ vereinbar angesehen wird.
Außerdem scheint der Gegenbeweis, der diese Vermutung zerstört, ins Auge zu springen.
Denn a priori :
- Die ersten US-Erfinder [Partei A] haben in ihrer PCT-Anmeldung lediglich ein innerstaatliches Recht in den USA ausgeübt, das im Ausland nicht durch die PVÜ vorgesehen ist, selbst wenn die Anmeldung in einem einzigen Formular erfolgte und von einem gemeinsamen Vertreter unterzeichnet wurde,
- während im umgekehrten Fall die PCT EPÜ-Zweitanmelder [Partei B] diesem Vertreter den Auftrag erteilt hatten, ihnen außerhalb der USA die in der PVÜ vorgesehene internationale Priorität zukommen zu lassen, insbesondere in Europa über das EPÜ.
Es bleibt abzuwarten, ob,
- insbesondere in Anbetracht der Abtretung seines Prioritätsrechts durch einen der drei in den USA anmeldenden Erfinder, aber der Nichtexistenz einer solchen Abtretung durch die beiden anderen vor dem Tag der Einreichung der PCT EPÜ-Anmeldung (d.h. während der Lebensdauer dieses Prioritätsrechts) [S. 2 § 4],
- das Recht des Ursprungsvertrags (dies wäre hier ein US-amerikanisches Recht) [siehe S. 22 § 64 und 65, S. 37 § 100] es auch nach Ablauf des Prioritätsrechts erlaubt, ausdrücklich zu bestätigen, dass jede der Parteien A und B vor dessen Ablauf sehr wohl beabsichtigt und gewollt hatte, nicht nur das Recht, Patente im Ausland anzumelden, sondern auch das internationale Prioritätsrecht der PVÜ abzutreten und sicher zu erwerben, das die GBK in der Tat gut von den anderen Attributen des Patentrechts unterscheidet, das aus seiner ersten Anmeldung hervorgegangen ist.
Wenn die GBK schließlich feststellt, dass die PVÜ, der PCT und das EPÜ unter bestimmten Bedingungen tatsächlich darauf abzielen, Erfindungen in mehreren Ländern bestmöglich zu schützen, und dass die EU-Charta das GE als eines ihrer Grundrechte garantiert, so liegt den europäischen Richtern, die auch durch ihre volle Gerichtsbarkeit verpflichtet sind, eine Patentverletzung (vor allem nach der Erteilung) zu prüfen, die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen den Grundrechten GE und die Freiheit, das zu nutzen, was für alle verfügbar bleiben muss, am Herzen.
Fortsetzung folgt …
Thierry Mollet-Viéville
Avocat à la Cour – DTMV avocats
Ehemaliger Präsident der AIPPI und AFPPI
8 Dezember 2023